Stimmungsboykott der Hansa Fans in Essen

Bild: Fantastic Floodlights

Beim Drittligaspiel zwischen Rot Weiss Essen und Hansa Rostock am 6. April 2025 blieb der Gästeblock vollständig still. Die aktive Fanszene der Hanseaten verzichtete geschlossen auf organisierten Support. Zuvor hatte die Polizei umfangreiche Kontrollmaßnahmen gegen anreisende Rostocker Fans durchgeführt, was im Anschluss für erheblichen Unmut sorgte.

Polizeikontrollen auf der B224

Die Polizei Essen gab an, auf Grundlage eines Hinweises gehandelt zu haben, wonach sich eine Gruppe Gästefans in Gladbeck im Bereich des Wasserschlosses Wittringen aufhalte und möglicherweise Vermummungsmaterial oder Schutzbewaffnung mitführe. In der Folge wurde ein größerer Autokonvoi auf der Bundesstraße B224 kontrolliert.

Video: GruppaOF

Dabei wurden laut Polizei sieben Verstöße gegen das Vermummungsverbot, zwei Fälle von Schutzbewaffnung wie Quarzhandschuhe und ein Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz festgestellt. Mehreren Personen wurde der Zugang zum Stadion untersagt, zudem wurden Platzverweise ausgesprochen.

Die Polizei sprach im Nachgang von einem erfolgreichen Einsatz. In Fankreisen und juristischen Beobachterkreisen wird jedoch hinterfragt, wie konkret und rechtlich belastbar der genannte Hinweis war, der zu dieser Maßnahme führte. Eine transparente Einordnung oder unabhängige Bewertung der Gefahrenlage steht bislang aus.

Fanszene reagiert geschlossen

Die Antwort der Rostocker Fanszene auf die polizeilichen Maßnahmen war eindeutig. Kein Support, keine Zaunfahnen, keine Stimmung. Der Gästeblock blieb über 90 Minuten hinweg vollständig ruhig. Es war ein Stimmungsboykott. Ein Großteil der angereisten Fans entschied sich nach den Kontrollen zudem, gar nicht erst am Spiel teilzunehmen.

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Ein X Post von hooliganscz1999 sprach davon, dass etwa 400 Rostocker Fans auf der Anreise gestoppt und zurückgeschickt wurden. Medien wie Faszination Fankurve berichteten ebenfalls über den vollständigen Verzicht auf organisierten Support, der auf die polizeilichen Maßnahmen zurückgeführt wird.

Kontext: Angriff im Oktober 2024 und verschärfte Sicherheitslage

Die Eskalation reiht sich ein in eine Serie von Maßnahmen und Vorfällen rund um Spiele mit Hansa Beteiligung. Im Oktober 2024 griffen Rostocker Hooligans einen Sonderzug mit RWE Fans an. Im März 2025 folgten Razzien in Mecklenburg Vorpommern, bei denen unter anderem Kugelbomben und eine Übungsgranate sichergestellt wurden.

Für das Spiel in Essen reduzierte man das Gästekontingent auf 1900 Karten statt der üblichen 2500 und schloss den Sitzplatzbereich im Gästeblock vollständig. Der Spieltag galt als Hochsicherheitsspiel.

Nachfolgend dokumentieren wir die Stellungnahme der Fanhilfe (BWRH) von Hansa Rostock:

BWRH kritisiert Maßnahmen der Polizei bei Auswärtsspiel in Essen

Vor dem Auswärtsspiel des F.C. Hansa Rostock bei Rot-Weiss Essen kam es am Sonntag, den 06.04.2025 zu einem Polizeieinsatz gegen eine dreistellige Anzahl von Hansafans, die sich auf dem Weg von einer Gaststätte in Richtung des Gästeblocks befanden. Bereits am Ort der Gaststätte selbst in Gladbeck befand sich ein massives Aufgebot von zu großen Teilen vermummten und behelmten Polizisten, die u.a. eine Drohne einsetzten und die Weiterfahrt verzögerten. Als endlich zum Stadion an der Hafenstraße aufgebrochen werden konnte, wurde die Autokolonne nach wenigen Metern auf einer Bundesstraße zum Halten gebracht. Behelmte Polizisten sprangen aus den Mannschaftswagen heraus, gingen an die Autotüren der Hansafans und forderten diese auf, den Motor auszuschalten. Kurze Zeit später wurde seitens der Polizei mitgeteilt, dass man auf Grundlage des Polizeigesetzes NRW kontrolliert werde, da der Verdacht bestünde, dass Waffen mitgeführt würden. Bei Widerspruch wurden zum Teil trotzdem Autos und Insassen kontrolliert. Anderen Hansafans gegenüber wurde mitgeteilt, dass man die Kontrolle verweigern könne, dann aber trotz gültiger Eintrittskarten nicht zum Stadion dürfe und von der Polizei auf dem Heimweg begleitet würde.

„Offensichtlich handelte es sich um eine seit langem geplante Aktion der Polizei, um Hansafans daran zu hindern, ihre Mannschaft beim Auswärtsspiel zu unterstützen. Der Grund der Kontrolle, dass Waffen mitgeführt worden sein sollen, erscheint vorgeschoben und konstruiert. Letztlich wurde nach knapp zwei Stunden bei einer dreistelligen Anzahl an Autos und Transportern plus Insassen so gut wie nichts gefunden. Die Polizei selbst schreibt in einer Pressemitteilung, dass sieben Verstöße gegen das Vermummungsverbot und ein Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz festgestellt sowie zwei Mal Schutzbewaffnung aufgefunden wurden. In einem Falle ist uns bekannt, dass eine Wintermütze und Lederhandschuhe konfisziert werden sollten. Platzverweise wurden wie von der Polizei Essen dargestellt nach unserem Kenntnisstand nicht ausgesprochen. Wenn, dann nur vereinzelt mündlich. Der Polizeieinsatz erscheint mithin vollkommen unverhältnismäßig. Wir behalten uns rechtliche Schritte vor, um gegen die freiheitsbeschränkenden Maßnahmen nachträglich vorzugehen“, kündigt ein Sprecher der BWRH an.

Nachdem die Kontrollen gegen 17:45 Uhr begonnen hatten und nach zwei Stunden klar wurde, dass nur ein Bruchteil abgeschlossen war, entschied man sich gegen 19:45 Uhr, den Heimweg anzutreten, da spätestens jetzt offensichtlich war, dass einem der Spielbesuch durch die Polizei unmöglich gemacht werden sollte. Am Ende der Kolonne waren keinerlei Bemühungen seitens der Polizei zu erkennen, Autos oder Personen zu kontrollieren. Auch Kommunikation war dort Fehlanzeige. Bis ins Bundesland Niedersachsen hinein wurde man anschließend durch die Polizei eskortiert und Autobahnabfahrten blockiert, sodass kein Anhalten, Verpflegen o.ä. möglich war.

„Die Kontrollen gingen extrem langsam voran und ein Großteil der eingesetzten Beamten war eher damit beschäftigt, rumzustehen, die anwesenden Hansafans zu beobachten und zum Teil untereinander herumzuscherzen. Offensichtlich war man sich also selbst darüber im Klaren, dass die Kontrollen zu nichts führen würden. Dies verstärkt den Eindruck, dass es sich ausschließlich um eine vorgeschobene Begründung handelte, mit der – bei anderen Gesellschaftsgruppen vollkommen unvorstellbar – die Freiheit entzogen wurde. Letztlich handelt es sich aus unserer Sicht damit um ein weiteres Beispiel einer langen Liste an Vorfällen, bei denen Fußballfans in Deutschland seit geraumer Zeit in unrechtmäßiger und unverhältnismäßiger Manier grundlegendste Rechte abgesprochen werden“, ordnet ein Sprecher der BWRH die Polizeimaßnahmen abschließend ein. 

Rostock, den 07.04.2025