Risikoeinstufung ohne Grundlage?

Bild: @badener1894

Am vergangenen Samstag kam es in Karlsruhe zur Zweitliga-Partie zwischen dem Karlsruher SC und dem 1. FC Magdeburg. Während die Begegnung auf dem Spielfeld sportlich im Fokus stand, sorgte eine Entscheidung der Behörden im Vorfeld des Spiels abseits des Rasens für Diskussionen.

Nach Angaben der Fanhilfe Magdeburg und der Fanhilfe Karlsruhe wurden 29 sogenannte „Gefährderanschreiben“ durch das Ordnungs- und Bürgeramt Karlsruhe versandt. In diesen Schreiben wurden ausgewählte Personen über die behördliche Einstufung der Partie als „Risikospiel“ informiert. Die Begründung: Es sei mit gewalttätigen Ausschreitungen zu rechnen, da das Fanverhältnis beider Vereine als „traditionell feindschaftlich“ eingestuft werde. Diese Einschätzung erfolgte trotz der Tatsache, dass es laut den Fanhilfen in den vergangenen 25 Jahren bei zehn Aufeinandertreffen der beiden Teams keinerlei sicherheitsrelevante Vorfälle gab.

Die Risikoeinstufung stieß insbesondere bei den Fanszenen sowie Vertretern des Karlsruher SC und des Fanprojekts Karlsruhe auf Unverständnis. Während des Sicherheitsgesprächs am Montag vor dem Spiel hätten sowohl der KSC als auch das Fanprojekt eine Einstufung in die niedrigste Sicherheitskategorie empfohlen. Die ortsansässige Polizei habe diese Empfehlung jedoch ignoriert und an der höheren Risikoeinstufung festgehalten.

Die Fanhilfen kritisieren in ihrer Stellungnahme, dass die Beurteilung nicht auf objektiven Kriterien, sondern auf subjektiven Faktoren beruhe. Sie bemängeln eine mangelnde Transparenz bei der Entscheidungsfindung und stellen die Frage, ob hier eine verzerrte Darstellung genutzt werde, um bestimmte sicherheitspolitische Maßnahmen zu legitimieren. Die Fanhilfen kündigten an, betroffenen Fans rechtliche Unterstützung anzubieten und die behördliche Datenverarbeitung überprüfen zu lassen.

Dieser Fall verdeutlicht die wachsende Relevanz der Debatte um die Einstufung von Fußballspielen als „Risikospiele“. Insbesondere vor dem Hintergrund einer möglichen bundesweiten Regelung, nach der die Vereine künftig die Mehrkosten für Polizeieinsätze bei Risikospielen tragen könnten, erhält das Thema zusätzliche Brisanz. Kritiker befürchten, dass die Polizei durch intransparente Entscheidungen höhere Kosten verursachen könnte, die dann den Vereinen angelastet werden. Dieses Beispiel bestätigt die Sorge vieler Clubs, dass sie kaum Einfluss auf die behördliche Einstufung haben und somit finanziell belastet werden könnten, ohne dass eine sachliche Grundlage für die Entscheidung besteht.

Die Diskussion über eine klare und objektive Einstufung von Fußballspielen wird in Zukunft noch intensiver geführt werden müssen, insbesondere mit Blick auf eine mögliche bundesweite Kostenregelung.

Nachfolgend dokumentieren wir die Stellungnahme der Fanhilfe Magdeburg und Fanhilfe Karlsruhe:

Am vergangenen Samstag stand in Karlsruhe eine rein sportlich brisante Partie auf dem Spielplan der 2. Bundesliga. Zwei Traditionsvereine in blau-weiß sollten sich auf dem Rasen duellieren. Aus Sicht der zuständigen Polizeibeamten wurden aber auch Duelle außerhalb des Spielfeldes prophezeit. Anders lassen sich die 29 aus unserer Sicht überraschenden „Gefährdenansprachen“ nicht erklären.

Knapp eine Woche vor dem Spiel wurden diese Briefe vom Ordnungs- und Bürgeramt Karlsruhe verschickt. Darin aufgeführte Informationen waren:

– Das Spiel wird von den Sicherheitsakteuren als Risikospiel eingestuft.

– Mit gewalttätigen Ausschreitungen wird gerechnet. 

– Das Fanverhältnis wird von beiden Seiten als „traditionell feindschaftlich“ eingestuft.

Wie die „Sicherheitsakteure“ zu dieser Einschätzung gekommen sind, ist jedoch fragwürdig. Nach unseren Informationen (bestätigt durch den KSC und auch das Fanprojekt Karlsruhe) kam es in den vergangenen 25 Jahren bei 10 Aufeinandertreffen zu KEINERLEI Zwischenfällen abseits des Rasens. Getroffen wurde die Einschätzung somit auf Grundlage anderer, subjektiver Faktoren nach dem Austausch der Szenekundigen Beamten beider Vereine im Vorfeld der angesetzten Partie.

Nicht unerwähnt soll bleiben, dass Fans des KSC von höchster Stelle beim DFB mit der Fair-Play-Medaille für ihr Handeln bei der Partie gegen den FCM vor zwei Jahren ausgezeichnet wurden. (https://www.kicker.de/erstmals-geht-der-preis-an-fans-fair-play-medaille-fuer-ksc-anhaenger-963148/artikel) Feindschaft sieht definitiv anders aus.

Was sich traditionell aber tatsächlich zugetragen hat, ist das Sicherheitsgespräch am Montag vor dem Spiel. Anwesend waren hier Vertreter des gastgebenden Vereins, das Fanprojekt Karlsruhe, Szenekundige Beamte sowie Vertreter der Polizei aus Karlsruhe. Die Empfehlungen des KSC und Fanprojekt Karlsruhe zur Einstufung in die Kategorie 1/grün/geringstes Risiko stieß bei der ortsansässigen Polizei auf taube Ohren. Daher blieb es bei der Bezeichnung „Risikospiel“.

Für uns liegt die Vermutung nahe, dass wieder einmal falsche Wahrheiten verbreitet werden, um eine falsche Realität zu kreieren in welcher die Law-and-Order-Fantasien von Sicherheitskreisen und Teilen der Politik bedient werden.

Die angeschriebenen Personen werden durch die Gefährderanschreiben stigmatisiert, da nun in polizeiinternen Auskunftsdateien ein weiterer Eintrag dazugekommen ist.

Wir stehen mit den Betroffenen im Austausch und werden diesen empfehlen, beim Ordnungs- und Bürgeramt Karlsruhe Datenauskunftsersuchen einreichen, um der Sache auf den Grund zu gehen. Weitere rechtliche Maßnahmen lassen wir im Anschluss durch unsere Fananwälte prüfen. In jedem Fall halten wir Euch auf dem Laufenden.

Unser Ziel ist und bleibt es, Fußballfans vor solchen ungerechtfertigten Maßnahmen, mit weitreichenden Folgen für die Betroffenen, zu schützen.

Übrigens: Nach dem letzten Wochenende sind wir nun bei 11 Aufeinandertreffen in 25 Jahren ohne Zwischenfälle. Die Prognose von KSC und Fanprojekt Karlsruhe sowie die Fehleinschätzung der SKBs/ Polizei haben sich demnach bestätigt.