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Anlässlich der bevorstehenden Bundestagswahl 2025 hat der Dachverband der Fanhilfen ein Forderungspapier veröffentlicht, das zentrale rechtspolitische Themen aufgreift. Darin setzt sich der Verband für den Schutz von Freiheits- und Bürgerrechten ein und kritisiert aus seiner Sicht problematische Entwicklungen im
Das Papier enthält konkrete Forderungen an die kommende Bundesregierung, die sowohl den Schutz der Grundrechte als auch eine bessere Kontrolle staatlicher Institutionen zum Ziel haben. Die folgenden Abschnitte fassen die einzelnen Punkte des Forderungspapiers zusammen und erläutern die Hintergründe.
1. Chatkontrolle verhindern
Der Dachverband fordert eine klare Ablehnung der sogenannten „Chatkontrolle“ auf EU-Ebene. Dabei handelt es sich um einen Vorschlag zur automatisierten Überwachung digitaler Kommunikation, der als Mittel zur Bekämpfung von Kindesmissbrauchsabbildungen eingeführt werden soll. Der Verband lehnt dies entschieden ab:
„Unter dem Deckmantel des Kinderschutzes soll durch die Chatkontrolle das Briefgeheimnis im digitalen Raum außer Kraft gesetzt werden.“
Die Organisation befürchtet, dass solche Überwachungsmaßnahmen schnell auch auf andere Personengruppen ausgeweitet werden könnten, darunter Fußballfans. Der Verband sieht dies als einen Angriff auf die Privatsphäre und fordert, dass Deutschland sich nicht nur selbst gegen die Chatkontrolle stellt, sondern auch andere EU-Staaten von einer Ablehnung überzeugt.
2. Zeugnisverweigerungsrecht für Sozialarbeitende
Die Organisation fordert, dass Sozialarbeitende ein generelles Zeugnisverweigerungsrecht erhalten, ähnlich wie es für Ärzte oder Journalisten gilt. Dies sei für ihre Arbeit essenziell:
„Der Vertrauensschutz und die Verschwiegenheit stellen eine zentrale Arbeitsgrundlage dar.“
Am Beispiel des Karlsruher Fanprojekts wird geschildert, wie Sozialarbeitende wegen Aussageverweigerung vor Gericht zu Geldstrafen verurteilt wurden. Der Dachverband argumentiert, dass diese Strafen die Arbeit der Fanprojekte gefährden, weil sie das Vertrauen der Fans in die Sozialarbeit untergraben.
Gefordert wird daher eine Reform des § 53 StPO, um Sozialarbeitende in den Kreis der geschützten Berufsgruppen aufzunehmen.
3. Bundespolizeibeauftragten stärken
Die Position des Bundespolizeibeauftragten soll nach Ansicht des Verbandes nicht nur erhalten, sondern auch gestärkt werden. Begründet wird dies mit internationalen menschenrechtlichen Verpflichtungen:
„Nach Art. 13 der Europäischen Menschenrechtskonvention hat jede Person das Recht, eine wirksame Beschwerde zu erheben.“
Der Dachverband kritisiert, dass Polizei-Beschwerdestellen in Deutschland oft reaktiv arbeiten und nicht strukturelle Probleme aufgreifen. Besonders für Fußballfans sei dies relevant, da sie immer wieder von unverhältnismäßigen Polizeieinsätzen betroffen seien.
Gefordert wird daher unter anderem ein Akteneinsichtsrecht für den Polizeibeauftragten sowie eine engere Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Organisationen.
4. Keine erweiterten Befugnisse für Polizeibehörden
Der Verband lehnt eine Ausweitung der Überwachungsbefugnisse für Polizeibehörden ab, insbesondere den Einsatz von Staatstrojanern und künstlicher Intelligenz zur Überwachung von Menschenmengen.
„Schon die aktuelle Gesetzeslage ist durchgreifend genug.“
Der Einsatz von Staatstrojanern berge laut Verband erhebliche Gefahren für die IT-Sicherheit aller Bürger. Zudem bestünde die Gefahr, dass Fußballfans durch KI-gestützte Überwachungsmaßnahmen unter Generalverdacht gestellt würden.
Gefordert wird daher eine Reform der §§ 100a und 100b StPO sowie der Verzicht auf KI-gestützte Echtzeitüberwachung.
5. Datei „Gewalttäter Sport“ abschaffen
Die seit Jahrzehnten bestehende Datei „Gewalttäter Sport“, die mutmaßliche Gewalttäter im Fußballumfeld erfasst, soll laut Verband ersatzlos gestrichen werden.
„Es reicht bereits aus, Beschuldigter eines Ermittlungsverfahrens zu sein, um in der Datei zu landen.“
Der Verband verweist auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Oktober 2024, das Teile des BKA-Gesetzes und damit auch die Grundlage der Datei für verfassungswidrig erklärte. Kritisiert werden insbesondere mangelnde Transparenz, lange Speicherfristen und die negativen Auswirkungen auf Betroffene, die etwa an der Ausreise gehindert werden können.
Die Forderung lautet daher: Sofortige und ersatzlose Abschaffung der Datei.
6. § 114 StGB streichen
Der Dachverband spricht sich für die Streichung des § 114 StGB („Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte“) aus. Dieser sei im Jahr 2017 als „ungeeignete Reform“ eingeführt worden:
„Die Gesetzesänderung stieß bereits während des Gesetzgebungsverfahrens auf breite Kritik.“
Der Verband kritisiert, dass bereits Bagatelldelikte wie das versehentliche Anrempeln von Polizisten als tätlicher Angriff gewertet werden können, während härtere Straftaten wie Körperverletzung mitunter milder geahndet würden. Fußballfans seien hiervon in besonderem Maße betroffen.
Gefordert wird die ersatzlose Streichung des § 114 StGB sowie eine wissenschaftliche Untersuchung der Reform von 2017.
7. Kennzeichnungspflicht für die Bundespolizei
Die Einführung einer individuellen Kennzeichnungspflicht für Bundespolizisten wird als dringend notwendig erachtet, um polizeiliches Fehlverhalten besser verfolgen zu können:
„Ohne die Möglichkeit einer Identifizierung von Polizisten sei eine Rechenschaftspflicht der Polizei gegenüber der Öffentlichkeit nicht gegeben.“
Der Verband verweist auf internationale Vorgaben, unter anderem den Europäischen Kodex für Polizeiethik und ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.
In Deutschland war eine solche Pflicht zwar im Koalitionsvertrag der Bundesregierung vorgesehen, wurde aber bisher nicht umgesetzt. Der Dachverband fordert eine rasche Einführung auf Bundesebene sowie einen politischen Einsatz für eine Kennzeichnungspflicht in den Bundesländern.
Fazit
Das Forderungspapier des Dachverbandes der Fanhilfen umfasst verschiedene bürgerrechtliche Anliegen, die über das unmittelbare Umfeld von Fußballfans hinausgehen. Der Verband setzt sich für Datenschutz, eine stärkere Kontrolle der Polizei und eine Stärkung sozialer Arbeit ein. Viele der Forderungen basieren auf aktuellen rechtlichen Entwicklungen, insbesondere Urteilen des Bundesverfassungsgerichts oder internationalen Menschenrechtsvorgaben.
Die kommenden Koalitionsverhandlungen werden zeigen, inwieweit die Forderungen des Dachverbandes Gehör finden.
Das vollständige Forderungspapier findet ihr hier.